Den Talmud und den Kant: Rabbinerausbildung an der Schwelle zur Moderne
Noch zur Aufklärungszeit blühte ein vielgestaltiges rabbinisches Hochschulwesen in den deutschen Staaten. Ihren besonderen, jahrhundertealten Bildungsidealen verpflichtet, musste sich diese talmudische Gelehrtenrepublik der ihr nun abverlangten Anpassung an die herrschende idealistische Theologie verweigern. Ein Wahnsinniger nur oder ein Genie, so urteilte 1808 einer ihrer wenigen christlichen Verteidiger, könnte zugleich "morgenländische und abendländische Philosophie studieren, den Talmud und den Kant, den Fichte wie den Schelling". An den unvereinbaren Ansprüchen von Staatspolitikern, Religionsreformern und Traditionalisten scheiterten die Projekte zu "zeitgemäßen" Ausbildungsstätten. So mussten die jüdischen Studentenkreise der Romantik und des Vormärz jene für unmöglich gehaltene Synthese aus dem disparaten Erbe ihrer talmudischen und akademischen Mentoren selbst entwickeln und erproben. Die Entstehung der rivalisierenden Modelle moderner rabbinischer Wissenschaft, die diese institutions- und ideengeschichtliche Studie verfolgt, beginnt inmitten der alten Talmudhochschulen und führt durch ein beispielloses kulturelles Laboratorium zu den Anfängen des Jüdisch-Theologischen Seminars, das 1854 in Breslau gegründet wurde. (Klappentext)